DER BIOLADEN »Flotte Karotte« SETZT AUF RegionalE PRODUKTE


›Bio‹ einzukaufen ist ziemlich intelligent.

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Der kleine, feine Bioladen wurde im Jahr 2001 in Findorff in der Augsburger Straße 6 gegründet und 2004 von Tobias Wolf übernommen. 2009 kam Nicole Kahla als Inhaberin dazu. Das heutige Team umfasst zudem vier weitere biobegeisterte MitarbeiterInnen und zahlreiche Aushilfen. Die »Flotte Karotte« ist Ausbildungsbetrieb für den Beruf »Einzelhandelskauffrau / Einzelhandelskaufmann«. Man lebt, was man tut; auch im Detail. Der Bioladen ist Mitglied in der »Kulturland Genossenschaft«, bezieht Strom von den Bürgerwerken und Tobias Wolf engagiert sich privat seit Jahren im »Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Landesverband Bremen«, kurz »ADFC Bremen«. Geöffnet ist Montag bis Freitag von 8:30 bis 18:30 Uhr und Samstag von 8:30 bis 13:30 Uhr. Mehr auf www.flotte-karotte-bremen.de 

 


Moin Nicole und Tobias, Ihr seid die InhaberInnen der »Flotten Karotte«, die 2019 volljährig geworden ist. Wie war damals die Szene, als der Laden gegründet wurde  ? 

 

Tobias: Wir sind ja nicht die GründerInnen der »Flotten Karotte«, sondern ich habe den Laden vor 15 Jahren übernommen. Nicole ist vor zehn Jahren dazugekommen. Nicole und ich sind ja eigentlich SozialarbeiterInnen, doch das Thema hat mich interessiert. Ich war aber von Anfang an Kunde der »Flotten Karotte«. Zuvor sind wir immer nach Schwachhausen zu »Oecotop« gefahren, weil es in Findorff keinen Mitgliedsladen gab. Als dann 2001 die »Flotte Karotte« eröffnet wurde, waren wir alle sehr glücklich. Als sich zweieinhalb Jahre später herausstellte, dass die beiden GründerInnen den Laden verkaufen wollten, war ich gerade in einer Phase der beruflichen Umorientierung. So kam eines zum anderen. Ich habe meine Chance ergriffen, die Gelegenheit beim Schopfe gefasst und diese Entscheidung bis heute nicht bereut. 

 

Woher hattest Du den Mut, in die Selbstständigkeit zu gehen ? Schließlich war »Bio« damals noch nicht so im »Mainstream« angekommen wie heute. Ging es gleich gut los ? 

 

Tobias: Eine positive Grundstimmung für den Bioladen in Findorff war bereits da. Es war dennoch ein Wagnis; weniger wegen »Bio«, als vielmehr einfach so einen Laden zu übernehmen. Der Grundstock war gelegt, aber dennoch war uns klar, dass wir mehr Mitglieder als KundInnen brauchten, um ganz gut existieren zu können. Wir waren zu der Zeit ein Dreierteam. Wir haben einen Gründungszuschuss vom Arbeitsamt bekommen, so dass wir die erste Zeit etwas entspannter angehen konnten; zumindest was die finanzielle Seite des Starts anging.

 

Was entgegnet Ihr, wenn jemand sagt, »Bio ist nicht gleich Bio« oder wie eine große Sonntagzeitung titelte: »Bio kaufen ist dumm.« ?

 

Nicole: »Bio ist nicht gleich Bio.« – diese Aussage würde ich auch unterschreiben, denn es gibt ja verschiedene Anbauverbände und Kriterien, nach denen angebaut wird. Wir legen Wert darauf, vorrangig Produkte der klassischen, großen Verbände zu haben, wie zum Beispiel »Bioland«, »Naturland« und »Demeter«, die sehr gut kontrolliert werden und nicht nur das einfache »EU–Bio–Siegel« führen. Ein weiteres Kriterium ist: Wenn man sich die »Flotte Karotte« anschaut, haben wir sehr viel »unverpackt« im Angebot. Das ist in großen Läden nicht unbedingt so. Wir vermeiden Müll und schmeißen sehr wenig weg. Ich finde daher, bei uns »Bio« einzukaufen ist ziemlich intelligent.

 

Laut Eigenaussage gibt es bei Euch vom Agavendicksaft bis zur Zahnbürste fast 3.000 Artikel aus der Naturkostbranche. Wonach sucht Ihr die Artikel für Euer Sortiment aus ?

 

Tobias: Natürlich sind eigene Vorlieben und der persönliche Geschmack auch entscheidend, aber wie Nicole schon sagte: Es gibt bei uns klare Kriterien, was wir anbieten wollen. Wir versuchen auch neue, innovative Produkte aufzunehmen, die zum Beispiel im Bereich der Verpackungsvermeidung Maßstäbe setzen. Wir versuchen möglichst regionale Produkte zu führen, wir versuchen möglichst fair gehandelte Produkte aufzunehmen – und wir sind immer offen für die Anregungen unserer KundInnen.

 

Nicole: Außerdem treiben wir uns gern auf Messen herum und lassen uns dort inspirieren – und wir haben sehr gute GroßhändlerInnen, die uns Tipps für neue Produkte geben, die zu unserer Philosophie passen.

 

Warum sind Bioprodukte trotz ihres großen Erfolges in den letzten Jahren immer noch teurer als konventionelle Produkte ?

 

Tobias: Gute Qualität hat ganz einfach ihren Preis. Ich glaube, dass Bio-Produkte letztendlich für die VerbraucherInnen etwas teurer sind, aber gesellschaftlich bringt die bewusste Kaufentscheidung einiges. Ein Beispiel: Wenn das Trinkwasser nicht durch Pflanzenschutzmittel oder Gülle verunreinigt ist, nutzt das der Allgemeinheit sehr viel. Eine Sanierung des Grundwassers ist nur mit großem Aufwand und in langen Zeiträumen möglich und dementsprechend teuer. Diese Kosten entstehen sehr schnell für uns alle und werden heutzutage leider noch gar nicht in die Preise eingerechnet. Unter dem Strich gesehen sind Bio-Lebensmittel für die Gesamtgesellschaft günstiger als Lebensmittel aus konventioneller Produktion.

 

Nicole: JedeR sollte sich auch klar machen, was hinter einem Produkt steht. Wie viel ist man bereit für gute Lebensmittel auszugeben ? Die Frage ist daher auch: Was verdienen die

Bauern ? Was verdienen die ErntehelferInnen ? Uns ist wichtig, dass die Leute fair bezahlt werden und von ihrer Arbeit gut leben können.

 

Man kann auch Mitglied bei der »Flotten Karotte« werden. Wie geht das und welche Vorteile gibt es ?

 

Tobias: Die Mitgliedschaft ist die Grundidee unseres Bioladens. Dadurch können wir den Menschen, die bei uns einkaufen wollen, die Produkte günstiger anbieten. Im Gegenzug verschaffen unsere Mitglieder der »Flotten Karotte« eine verlässliche Kalkulationsgrundlage. Man zahlt monatlich einen günstigen Mitgliedsbeitrag und kann dann bei uns ungefähr 30 Prozent günstiger einkaufen. Sprecht uns einfach an.

 

Wie hoch ist der Mitgliedsbeitrag ?

 

Tobias: Der Monatsbeitrag beträgt für eine erwachsene Person 17,00 Euro und pro weitere erwachsene Person 14,00  Euro. 

 

Wie viele Mitglieder habt Ihr zur Zeit ? 

 

Tobias: Wir haben mittlerweile knapp 500 Mitglieder. Der Großteil davon kommt aus Findorff, aber wir haben auch KundInnen aus Borgfeld.

 


Kundenbindung ist für beide Seiten wichtig.

Kann man auch ohne Mitgliedschaft bei Euch einkaufen ?

 

Nicole: Selbstverständlich. 

 

Bewusste KundInnen möchten wissen, woher die Lebensmittel kommen, die sie kaufen. Wo sitzen Eure LieferantInnen und wie erfährt man, wer Euch was liefert ?

 

Nicole: Ich kann ein sehr schönes Beispiel aus dem Bereich Obst und Gemüse geben. Wir machen regelmäßig Ausflüge mit unseren MitarbeiterInnen und waren zuletzt bspw. auf dem »Demeter«-Gärtnerhof in Delmenhorst-Sandhausen. Inhaber Martin Clausen ist auch Gesellschafter des »Naturkost Kontor Bremen«. Wir haben uns vor Ort die Pflanzen angesehen und den Hof erklären lassen. Seitdem schreiben wir auf unsere Gemüseschilder »Kommt aus Sandhausen«. Wir versuchen generell unsere LieferantInnen gegenüber den KundInnen so transparent wie möglich zu machen, damit sie wissen, wo zum Beispiel die Eier herkommen und wo und wie die Hühner leben. 

 

Warum heißt die »Flotte Karotte« eigentlich »Flotte Karotte« ?

 

Tobias: Das wissen wir peinlicherweise auch nicht. Wir haben den Namen ja so übernommen. Aber »Flotte Karotte« ist sehr gut zu merken: Viele Menschen in Bremen und umzu können mit dem Namen etwas anfangen und wissen, wofür er steht. 

 

Euer Bioladen ist im Vergleich zu einem Supermarkt relativ klein und gemütlich. Man fühlt sich sofort persönlich angesprochen. Wie wichtig ist es, neben der Mitgliedschaft, zugleich eine persönliche Kundenbindung aufzubauen ? 

 

Tobias: Kundenbindung ist für beide Seiten wichtig. Für uns bringt die enge Bindung viel Freude während der Arbeit. Es ist schön, dass die KundInnen den persönlichen Kontakt schätzen. Das merken wir daran, dass das persönliche Gespräch manchmal länger dauert als die Zeit für den eigentlichen Einkauf, weil man sich bei uns wohlfühlt und bei uns im Bioladen

auch die NachbarInnen und FreundInnen trifft. 

 

Nicole: Das persönliche Gespräch ist schon sehr wichtig – und es macht letztendlich für mich auch den Spaß bei der Arbeit aus.

 

Was macht Ihr ganz konkret, um den KundInnen der »Flotten Karotte« das gute Gefühl zu vermitteln, bei Euch genau richtig zu sein ?

 

Tobias: Wir machen gemeinsame Aktionen und haben unser Jubiläum zusammen gefeiert. Selbst wenn der Laden dann zu den regulären Öffnungszeiten zu hat, finden das alle in Ordnung.

 

Ein Blick in die Zukunft: Wie sieht die Bio-Szene 2030 aus ?

 

Tobias: Wir möchten natürlich, dass »Bio« sich weiter durchsetzt. Allerdings hoffe ich, dass dieses nicht nur von Discountern und großen Ketten gemacht wird, sondern dass es auch weiterhin kleine, persönliche Bioläden wie die »Flotte Karotte« geben wird. Die Zukunft sieht dafür, wie vermutlich auch im gesamten Einzelhandel, nicht so rosig aus, weil kleine Läden eher auf dem Rückzug sind. Ich hoffe aber, dass unsere besonderen Qualitäten, die alle KundInnen zu schätzen wissen, Bestand haben und sich weiter herumsprechen – und dass die feste Verwurzelung im Stadtteil auch einen Wert hat; damit sich kleine Läden wie die »Flotte Karotte« weiterhin halten können. 

 

Interview: Mathias Rätsch, Foto: Kerstin RolfesInterview erschienen in Ausgabe Nr. 13, 2020

 

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© Kerstin Rolfes