MIT HELMUT SCHELLHAMMER NACHTS DURCH DEN BREMER WESTEN


Ich bin nicht nur Busfahrer, der von A nach B bringt.

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Helmut Schellhammer (53) arbeitet bereits seit 29 Jahren als Busfahrer, davon 16 Jahre in Bremen. Bevor er anfing, Busse zu fahren, war er in Kiel als Kfz- und Bus-Elektriker tätig. Durch diese Erfahrungen weiß »Steuermann« Schellhammer sich auch zu helfen, wenn während einer Fahrt einmal etwas am Bus nicht mehr funktioniert. Helmut Schellhammer wohnt in Walle, ist aber sowohl beruflich als auch privat viel in Findorff unterwegs. www.bsag.de

 


Helmut Schellhammer, Sie sind als Busfahrer in Bremen unterwegs. Wie lange fahren Sie schon Bus und wie sind Sie auf diesen Beruf gekommen ?

 

In Bremen bin ich im Sommer seit 16 Jahren »on tour«. Insgesamt arbeite ich aber seit 29 Jahren als Busfahrer, weil ich davor schon 13 Jahre in Kiel gefahren bin. Ich fahre für mein Leben gerne und die Begegnung mit Menschen, die bei mir einsteigen, sagt mir sehr zu. Als Kind wollte ich LKW-Fahrer werden und jetzt macht mir das Busfahren Spaß.

 

Wie läuft eigentlich eine Ausbildung zum Busfahrer ab? Muss man die Strecken sofort alleine fahren ?

 

Erstmal braucht man den Personenbeförderungsschein, der eine Ergänzung zum normalen Führerschein ist. Dann wird man im jeweiligen Betrieb ausgebildet. Das läuft so ab, dass man in die Liniengebiete, in denen man eingesetzt werden soll, durch einen Lehrfahrer eingewiesen wird. Da ist also ein erfahrener Busfahrer dabei, der einem die Strecken und eventuelle Umleitungen zeigt, der erklärt, wie man zu fahren hat, was man beachten muss, wie man die Haltestellen anfährt und in welchen Abständen es diese gibt. Erst wenn der Streckenlehrfahrer am Ende dieser Linienschulung sagt: »Der kann das !«, wird man zur Abnahmeprüfung zugelassen, die in Bremen vom Betriebsleiter der Bremer Straßenbahn AG abgenommen wird.

 

Welche Linien fahren Sie und welche ist die Busstrecke, um Bremen am besten kennenzulernen ?

 

Ich fahre hauptsächlich die Linien, die die gesamte Neustadt bedienen, angefangen von der 24, 25, 26/27, 28, 29, 52 und die anderen 50er Linien. Durch Findorff fahre ich sehr häufig mit der 25, 26/27 und am Samstag auch manchmal mit der 28. Das kommt nicht ganz so oft vor, weil diese Linie im Dienstumlauf alle zwölf Wochen vorkommt. Manchmal hat man dann gerade frei. Um Bremen kennenzulernen ist es am günstigsten, wenn man verschiedene Streckenabschnitte kombiniert, um verschiedene Stadtteile zu sehen. Man kann zum Beispiel am Bahnhof mit der 25 anfangen, über die Domsheide und die Martinistraße bis nach Findorff fahren, an der Hemmstraße umsteigen, mit der 26 oder 27 zum Bahnhof zurück fahren oder mit der 26 weiter nach Walle und von dort aus mit der 10 zurück zum Bahnhof, oder mit der 2 zur Domsheide fahren, um den Stadtkern zu sehen und dann rüber ins Viertel. Über die Weser zu fahren ist auch sehr reizvoll, gerade bei Nacht und vor allem, wenn die Weser bei Höchst- oder Tiefststand still steht und man die Spiegelungen der Lichter sieht. Das ist ein kleines Highlight, das man tagsüber nicht hat. 

 

Ist auf einer Ihrer Fahrten schon einmal etwas schief gegangen ? Haben Sie sich beispielsweise schon mal verfahren ?

 

Das ist menschlich und kann vorkommen. Das wird dann dokumentiert und wir müssen in dem seltenen Fall der Fälle unsere Leitstelle darüber informieren, dass wir vom Linienweg abgekommen sind und angeben, an welcher Stelle wir drehen werden, um in den Linienverlauf zurück zu gelangen. Oder wir fragen, was wir tun können, wenn wir uns nicht auskennen.

 

Es gibt dieses Klischee, dass Busfahrer immer schlecht gelaunt sind. Sie wirken aber gar nicht so. Ist das also ein Vorurteil ?

 

Schwarze Schafe gibt es in jedem Job. Ich für meinen Teil freue mich auf die Arbeit. Ich bin als Busfahrer gerne Dienstleister. Ich freue mich auch, abends in den Bus zu steigen. Viele sind da skeptisch, sagen, nachts sei das Publikum schon ein bisschen merkwürdig und fragen mich: »Wie kommst du damit überhaupt klar ?« Für mich ist es folgendermaßen: So wie ich in den Wald hinein rufe, so schallt es auch heraus. Wenn ich den Fahrgästen gegenüber freundlich wirke, habe ich nicht mit Ärger zu rechnen. Ich gehe gut gelaunt zur Arbeit, denn mir bringt die Arbeit Spaß, auch der Dienstleistungsauftrag. Wenn Leute Fragen stellen, empfehle ich ihnen trotz enger Taktzeiten gerne die eine oder andere Bremer Sehenswürdigkeit oder Lokalität. Viele kommen nach Bremen und fragen zum Beispiel, wo hier ein gutes Fischrestaurant sei. Mir hat das relativ neue »Fisherman‘s« bei der Stadtbibliothek sehr gut gefallen. Dort kann man in einem alten, historischen Gebäude, dem alten Polizeigebäude, super lecker und zu moderaten Preisen essen. Dafür spreche ich dann auch gerne eine Empfehlung aus.

 

Sie arbeiten viel nachts. Ist das manchmal schwierig ? Wie lang ist denn so ein Arbeitstag für Sie ?

 

Als Busfahrer arbeitet man in der Regel vier Tage am Stück und hat dann einen oder zwei Tage frei, sodass man insgesamt auf denselben Schnitt kommt wie ein normaler Arbeiter. Ich fange um 16:00 Uhr an. Wann mein Arbeitstag endet, ist sehr unterschiedlich und dienstplanabhängig, aber ungefähr um 1:00 Uhr oder 1:30 Uhr am Folgetag bin ich fertig. Schwierigkeiten bereiten mir diese Arbeitszeiten nicht. Dadurch, dass ich nur spät fahre, habe ich tagsüber andere Möglichkeiten und kann mehr unternehmen. Mir reichen praktischerweise sechs bis sieben Stunden Schlaf und ich brauche abends auch keine Stunde Zeit, um »abzuschalten«, wie das bei vielen anderen der Fall ist, die zum Beispiel vor dem Schlafen noch fernsehen. Wenn ich nach Hause komme, falle ich sofort in die Tiefschlafphase. Ich kann mich hinlegen und sofort einschlafen, ohne mir lange Gedanken zu machen. Meinen Dienst lasse ich auf dem Dienstgelände, mit dem Schlüsseldrehen, wenn die Arbeitszeit endet. An die Arbeit denke ich in meiner Freizeit nicht, außer es ist mal etwas Lustiges oder Außergewöhnliches passiert. Um 9:00 Uhr kann ich dann wieder aufstehen und bin voller Tatendrang. Es geht mir damit sehr gut. Ich fahre mittlerweile immerhin seit bereits 14 Jahren nachts.

 


Viele sagen, nachts sei das Publikum merkwürdig .

 

Ständig hinter dem Steuer zu sitzen stelle ich mir trotzdem anstrengend vor. Gibt es etwas, das Ihnen als Ausgleich dient ?

 

Ich habe hier im Stadtteil Findorff mit meiner Freundin zusammen eine alte Kaisenhausparzelle, auf der wir regelmäßig am Arbeiten sind. Wir fahren von uns zu Hause aus mit dem Fahrrad dorthin und bewirtschaften den Garten, pflegen ihn, richten ihn her. Unser entspannterer Freizeitausgleich ist dann, dass wir uns nach der Gartenarbeit auf die Fahrräder schwingen und zum Unisee fahren. Der ist keine zwei Minuten entfernt. Dort können wir uns abkühlen oder einfach in der Sonne liegen. Außerdem besuche ich auch gerne verschiedene Konzerte, darunter auch Musikrichtungen, die für den einen oder anderen ungewöhnlich klingen. Vor dem »Liquid Words«-Konzert in »Arinas Café« war ich mir erst auch nicht sicher, ob mir diese Art von Musik gefallen würde, aber es war dann sehr schön.

 

Was für Fahrgäste hat man, wenn man nachts Bus fährt ?

 

Da gibt es natürlich die merkwürdigsten Geschichten. Gerade, wenn man mit der Nachtlinie unterwegs ist, muss man viele Fahrgäste darauf hinweisen, dass sie eine gültige Fahrkarte dabei haben müssen. Obwohl das eigentlich gar nicht mein Job ist, denn jeder ist ja eigenverantwortlich für sich. Wenn jemand ohne gültige Fahrkarte erwischt wird oder mit Fahrkarte, aber ohne Nachtzuschlag in einer Nachtlinie, bedeutet das Fahren ohne gültigen Fahrausweis und kostet ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 60,00 Euro. Das ist »Erschleichen von Leistungen«. Da wollen sich schon einige durchmogeln und meckern über den sogenannten »Luxuszuschlag«. Aber großen Ärger gibt es damit eigentlich nicht. Die meisten Leute zahlen und auch die Fahrkartenkontrolle nach 20:00 Uhr läuft relativ gut. Es gibt natürlich einige Haltepunkte, an denen probiert wird, auch über die hinteren Türen einzusteigen. 

 

Sie erleben bestimmt auch interessante oder lustige Situationen ?

 

Eine Anekdote aus dem Spätverkehr: Worüber man eigentlich als Fahrer gar nicht lachen darf, ist, wenn Fahrgäste zu einem in den Bus kommen, um eine Auskunft zu bekommen. Man steht direkt am Bahnhof und jemand fragt: »Wie kommt man zum Bahnhof  ?« Das ist jetzt wirklich banal, aber manchmal stehen Leute mit dem Rücken zum Bahnhof und sehen ihn nicht. Unter anderem hatte ich vor kurzem auch zwei Fahrgäste, die mich fragten, wo denn die Nachtlinie N7 abfahre und ich sagte: »Wenn Sie jetzt über ihre linke Schulter schauen, sehen Sie die N7 eigentlich schon.« Ja, sie haben aber über meine linke Schulter, also nach rechts, geschaut. Die Fahrgäste vorne im Fahrzeug fingen dann herzhaft an zu lachen.

 

Was gefällt Ihnen am meisten an Ihrem Beruf ?

 

Alles, was mit meinem Beruf zu tun hat. Ich fahre für mein Leben gerne. Ich bin Busfahrer aus Leidenschaft. Der Umgang mit den Menschen gefällt mir, auch mit denjenigen, die Probleme haben. Ich bin nicht nur Busfahrer, also jemand, der andere Leute von A nach B bringt. Sondern ich bin auch ein Ansprechpartner für alles. Mir liegt es am Herzen, dass die Verständigung untereinander vorhanden ist, dass ich Leuten auch weiterhelfen kann. Manchmal, an Abenden, an denen wenig los ist, bin ich sogar Seelsorger. Leute, die sich verloren fühlen in dieser Welt und weder ein noch aus wissen, erzählen mir von ihren Problemen, klagen ihr Leid und suchen dann bei mir Rat. Obwohl sie eigentlich gar nicht mit dem Fahrer sprechen dürfen und ich auch mit den Fahrgästen nicht sprechen darf. In solchen Fällen zu helfen, ist eine schöne Sache.

 

Interview: Leona Ilgner, Foto: Kerstin Rolfes , Interview erschienen in Ausgabe Nr. 7, 2018

 

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© Kerstin Rolfes